Maultiere, Trapper, Soldaten und Auswanderer |
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Die Rolle der Mulis bei der Besiedelung Amerikas (ca. 1830-1900) und Überlegungen zum sinnvollen Einsatz heute. Zusammengestellt von Thomas Reichmann, Nordkirchen - 2001 |
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Die Entstehung der Maultierzucht in Amerika war kein Zufall, sondern die Tiere wurden gezielt in zunehmender Zahl gezüchtet, obwohl ihre Ausbildung und auch der Umgang mit ihnen oft viel schwieriger war, als z.B. bei Pferden. Mulis galten als Schläger, Beißer und Ausbund an Heimtücke und Hinterlist. Außerdem waren sie steril und schwieriger zu züchten als Pferde. Ohne triftige Gründe hätte man Maultiere nicht in diesem Umfang eingesetzt. Was aber machte das Maultier bei der Entdeckung und Besiedelung des "Wilden Westens" so unentbehrlich, dass man die bereits erwähnten Nachteile in Kauf nahm? Wie kamen die Mulis zu diesem Image? Lag es an einer fehlerhaften, zu groben Ausbildung oder liegt hier ein "bastardbedingter" Charaktermangel vor? Welchen Nutzen haben Mulis für die Reitbegeisterten heute, oder sind Maultiere in unserer Zeit genau so überflüssig wie Geländewagen in der Großstadt? Diese Fragen können uns am besten die Menschen beantworten, die täglich mit ihnen gearbeitet und gelebt haben und das oft unter den schwierigsten Bedingungen. Gemeint sind die Trapper,Auswanderer, Offiziere der U.S. Army und Landvermesser (oft ehemalige Offiziere). Viele von ihnen haben damals Tagebücher oder Berichte geschrieben, die erhalten geblieben sind. Diese Erzählungen sind nicht nur spannend und abenteuerlich, sondern zeigen auch zu welchen unglaublichen Leistungen Menschen und Tiere damals fähig waren, oder eben leider manchmal auch nicht. |
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Zwei gut bewaffnete Mulireiter in Arizona ca. 1890 |
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Der Weg der Siedlerkarawanen war auf "Wüstenstrecken" lt. Zeitzeugenberichten von Kadavern, Geschirr- und Wagenresten gesäumt. "Wir haben heute 11 Wagenwracks passiert. Die Siedler hatten aus den Wagenrädern Packsättel gebaut, um weiter zu kommen. Der Weg lag voller Ausrüstungsresten und Ochsenkadavern. Bis zum Abend zählten wir die Reste von 17 Wagen und 27 toten Ochsen." (Capt. H. Stansbury, Wyo.1849). |
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Absturz mit tödlichen Folgen. Mt. Whitney ca. 1940 | |||||||||||||||
Auch bei der Army gab es hohe Verluste. General Dodge führte 1865 einen Kriegszug gegen die Sioux und Cheyenne auf den nördlichen Great Plains. Nach einem völlig unerwarteten Schneesturm verlor er ca. 1000 Pferde durch Erschöpfung (lange Märsche, kaum Futter). Er musste über 100 Wagen zurücklassen. Mit den Zugmaultieren und 800 von den Indianern eroberten Ponys (die konnten auch mit Baumrinde überleben) machte er seine Kavallerie wieder beritten und schaffte den Rückweg.Drei Jahre später startete die U.S. Army einen zweiten Versuch. Dieser endete mit dem Verlust beinahe aller Pferde. Eine ausgesuchte Truppe von 100 Mann beendete die Mission auf den Mulis des Packzuges. |
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Am gefragtesten waren Mulistuten (Mare-Mules). Sie galten als williger und weniger eigensinnig. Riley war sogar bereit, beim Ankauf für die Army bis zu 15 Dollar mehr für Stuten auszugeben und das in einer Zeit, in der ein einfacher Soldat 13 Dollar im Monat verdiente. Oft waren Maultiere aber um 1830-50 rar und die Preise stiegen. |
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Um 1850 gab es ca. 500.000 Maultiere in den Staaten. Bis 1920 stieg ihre Zahl auf 5,5 Millionen an, um dann bis heute auf ca. 150.000 Tiere zu sinken. |
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Sattelmaultiere der Haydon Expedition |
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In den Indianerkriegen von 1870 setzten Lt. Caesy und auch George Wheeler nur noch Maultiere ein. Berühmte Trapper wie Osborne Russel, James Clyman, Joe Meek und "Buffalo Bill" Cody ritten Maultiere, ebenso der mormonische Revolverheld Porter Rockwell und General George Crook. Isaac Cooper, Teilnehmer der Freemont Expedition, berichtete 1845 von einem Kiowa Krieger "Wolf der über den Hügel blickt". Dieser habe ein sehr gutes Maultier mexikanischer Abstammung erfolgreich zur Büffeljagd auf indianische Art eingesetzt. |
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Während die meisten Reisenden und auch die Trapper damals wirklich rauhes Gelände meist umgingen, konnten die Forschungs- und Vermessungsexpeditionen dieses nicht. Vermutlich wurden aus diesem Grund gerade dort hauptsächlich Mulis eingesetzt. |
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Junge unerfahrene Mulis waren oft schwierig. Die Eigensinnigkeit der Tiere ist nicht
nur ein Mythos. Heinrich Lienhard (ein kalifornischer Einwanderer) schrieb 1864 als Fußnote in sein Tagebuch:
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Ein Muli und sein Reiter in "Rauem Gelände" (1863 Green River, Wyoming) |
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Der Historiker Richard Bartlett schrieb über die Haydon-Expedition von 1872: |
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Dieses von einem Muli gezogene Gerät ist ein Odometer (Haydon Expedition 1872) |
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Bereits 1844 schrieb Josiah Gregg in seinem Buch "The Commerce of the Praries": |
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Das zeigt uns wieder, dass neben der Trittsicherheit auch in schwierigstem Gelände, der
Fähigkeit Mitzudenken und nicht sofort in Panik zu verfallen, auch seine ausgesprochene
Genügsamkeit ein wichtiger Faktor für die Wahl eines Mulis, anstelle eines Pferdes war.
Für Maultiere mußte kein Kraftfutter mitgenommen werden. Die Pferde waren bei schwerer
Arbeit aber darauf angewiesen (außer den Indianer Ponys). Das aber kostete extra und
belegte kostbaren Frachtraum/Packraum. Maultiere konnten ihren Grundbedarf von fast jeder Vegetation decken. "Ein Maultier wird auf jeden Fall eher beinahe alles essen als hungern. Stroh, Holzbretter, Baumrinde, Getreidesäcke, Geschirrteile dürfen sich nicht in seiner Reichweite befinden, wenn es hungrig ist. Es gab einige Fälle im letzten Krieg, in denen man die Maultiere morgens über den abgenagten Resten ihres ehemals stolzen Government Wagens fand." |
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Dieses Sechsspänner-Muliteam wurde 1861 in Maryland zusammengestellt. Unter ihrem farbigen Fahrer Edward Wesley Williams nahmen sie an mehreren Feldzügen teil und waren 1869 (Photodatum) immer noch im Dienst. Keines der Tiere war größer als 1,50m und sie mussten manchmal 4-6 Tage ohne Heu und bis zu 24 Stunden ohne Wasser bei harter Arbeit aus kommen. |
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Maultiere hielten Hitze und Kälte besser aus als Pferde, konnten wegen ihrer harten Hufe oft auf Beschlag verzichten und stachen den Indianern nicht so sehr ins Auge wie Pferde. Die Versorgung der Mulis unterwegs war auch deshalb einfach, weil die Tiere sich leicht prägen lassen. Diesen ausgesprochenen Herden- und Sozialtrieb nutzte man damals schon aus, indem man oft zu einer Muligruppe eine Bell-Mare (Pferdestute mit Halsglocke) stellte. Nach kurzer Zeit hingen die Mulis wie die Kletten an der Leitstute und folgten frei oder auch bepackt der Glocke. Nachts reichte es dann, die Bell-Mare anzutüdern, um am nächsten Morgen alle Maultiere satt wieder vorzufinden. "Wenn du eine Herde von 500 Maultieren treiben willst über jede Distanz, dann stelle eine graue oder weiße (Pferde-)Stute für zwei oder drei Tage zu ihnen. Sie werden sich so an sie gewöhnen/hängen, dass sie ihr überall hin folgen werden. Wenn dann ein Mann die Stute führt, kann man mit zwei weiteren Reitern den Trupp so leicht wie ein Wagenteam lenken." |
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"Army Mule" im 2. Weltkrieg |
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Harvey Riley, Superintendent in der U. S. Army, hat als Ausbildner Tausende von Mulis
für die Army betreut. Er beklagt allerdings in seinem auch heute noch hochaktuellen
Buch "The Mule" den Umgang mit den Tieren in der Army, und das nicht nur als Tierfreund. Brutale Methoden verdarben in seinen Augen die Tiere für einen optimalen Dienst. |
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Mangelhafte Ausbildung rächt sich immer- Liegendbeschlagen heute |
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Das damals übliche Anspannen von jungen Mulis beschreibt Josiah Gregg, nachdem er 1844 einen Treck von Missouri nach Santa Fe mitgemacht hatte: |
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Störrische oder rohe Mulis wurden bei der US. Army so an die Wagen gebunden. Nach 24 Stunden Stehen und Fasten wurden sie direkt angespannt. Das galt als "broken". |
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Wenn man nun bedenkt, dass die meisten Mulis "wild" aufwuchsen, d.h. bis zum Alter von 3-4 Jahren so gut wie nie angefasst wurden, dann kann man sich vorstellen, warum die Tiere auch später mißtrauisch gegenüber Menschen blieben, schlugen, bissen und sich oft kaum anfassen, geschweige denn leicht fangen ließen. Um widerspenstige Tiere halfterführig zu machen, band man sie hinten an einen der schweren Wagen. Nach 5-10 Kilometern Ziehen oder Schleifen war das Problem gelöst. So oder so. |
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Noch 1959 beschreibt ein "Old Packer" Joe Back in seinem Buch "Horses, Hitches and Rocky Trails" das erste Antüdern von Pferden und Mulis so: |
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Nur gut, dass unsere Tiere von Klein auf an Menschen gewöhnt sind und eine derartige Ausbildung nicht erdulden müssen. Eine Ausnahme in der Behandlung von Tieren war damals ganz offensichtlich General George Crook, der durch seine Jagd auf den legendären Apachenhäuptling "Geronimo" und seine Krieger berühmt wurde. Er hatte nicht nur großen Respekt vor seinem Gegner, sondern legte auch größten Wert auf einen optimalen Umgang mit seinen Mulis. Er ritt auf seinen Indianerfeldzügen stets ein Maultier und war durch die Nutzung von Maultierpackzügen in der Lage, den Indianern in Gelände zu folgen, dass den sonst üblichen Armywagen durch natürliche Hindernisse versperrt war. Nach Berichten von John Bourke (1891 in seinem Buch "An der Grenze mit Crook") war Crook unnachsichtig mit seinen Soldaten, wenn sie ihre Tiere nicht optimal versorgten. |
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General George Crook mit Apachen Scout und Muli in Arizona |
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Er kontrollierte oft unangemeldet die Mulis auf Satteldruck und legte größten Wert auf individuell angepasste Packsättel für jedes Tier. Die Tiere sollen deshalb in der Lage gewesen sein, wesentlich mehr Gewicht über auch längere als übliche Strecken zu tragen, ohne Schaden dabei zu nehmen. Seine Packzüge machten ihn so erfolgreich. Er versorgte sein Tier stets selbst und trug im Feld weder eine Uniform, noch irgendwelche Rangabzeichen an seinem hellen Segeltuchanzug (Er benutzte die mexikanischen Packsättel "Apajeros"). |
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Packer und Muli auf Crooks Feldzug gegen die Sioux 1867 auf den nördl. Great Plains |
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Der bereits erwähnte Harvey Riley war jedenfalls davon überzeugt, dass Menschenbezogenheit und damit auch die Ökonomie der Tiere im Einsatz nur durch eine freundliche Behandlung der Tiere erreicht werden konnte. Er beklagte, dass oft gerade die Menschen, die am meisten mit den Tieren umgingen, die geringste Ahnung von ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen hatten und sie deshalb auch nicht ökonomisch einsetzen konnten. Er forderte eine dringende Reform in Fürsorge und Behandlung der Armymaultiere. |
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Einen schlechten Dienst erwiesen aber auch die Menschen den Mulis, die ihnen sagenhafte Leistungen andichteten. Gängige Meinungen wie: "Ein Muli lebt doppelt so lange wie ein Pferd, arbeitet zweimal so hart und frisst nur halb soviel" führten oft zur permanenten Überforderung. Außerdem hielt sich anfangs die Meinung: "Aus einer zuchtuntauglichen Stute könne man ja immer noch ein gutes Muli ziehen." |
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Heutransport Mt. Whitney ca. 1950 |
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Dabei hatte schon George Washington 1758 erkannt, wie wichtig in der Maultierzucht beste Elterntiere waren. Ihm gelang es auch, das strikte spanische Exportverbot für Großeselhengste aufzuweichen und gute Tiere über den "großen Teich" zu holen. Die ersten Mulis waren meist mexikanischer Abstammung. Klein, zäh und bösartig, denn die Mexikaner galten zwar als Meister im Packen und auch ihre Packsättel waren den amerikanischen überlegen, aber die Tiere waren selten größer als ca. 1,40m und durch die brutale Behandlung der mexikanischen Packer oft gefährlich, wenn man einen Moment unachtsam war. |
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Frei folgende Packmulis Mt. Whitney ca. 1950 |
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Die Einwanderer brachten schwere Zugpferde mit, die sie dann an der Grenze zum Indianerland, (auf dem Weg nach Kalifornien) notgedrungen bei den in Missouri bereits ansässigen Siedlern gegen Mulis eintauschen mussten. Mit diesen oft kaltblütigen Pferden begann die berühmte Missouri Maultierzucht, die bis zum Ende des 2. Weltkrieges die Army und die Landwirtschaft der U.S.A. beliefert hat. |
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Maultiere werden in den U.S.A. heute noch für Trailritte, Jagdtouren, Ranch- u. Farmarbeiten und zum Fahren in großen Zahlen eingesetzt. In vielen Staaten gibt es eine eigene Maultierszene mit Vereinszeitung und regelmäßigen Veranstaltungen. 1976 wurde das "Great American Horserace" (Vom Atlantik bis zum Pazifik-6000km in 3 Monaten) von Virl Norton mit zwei Maultieren gewonnen (Eines der Maultiere, Leroy, lebte 2004 noch in Kalifornien (Anmerkung Luzius Heinen)). |
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In unserer dichtbesiedelten Landschaft sind wir auf das Muli als Überlebenskünstler eigentlich nicht angewiesen. Aber Hand aufs Herz, auf das Pferd ja meist genau so wenig. Aber wer würde nicht gerne auf einem Wanderritt sein Tier abends ruhig in eine fremde Wiese entlassen, selbst wenn diese mit Stacheldraht eingezäunt ist. Die nervige Jagd auf das abendliche Kraftfutter reduziert sich erheblich. Auf Hufeisen kann oft verzichtet werden. Und man sitzt im fremden Gelände auch gerne auf einem Tier, das nicht mit sofortigem Durchgehen auf Schreckmomente reagiert. Maultiere scheinen gegen Erkältungen fast immun zu sein, (ich habe es zumindest noch nicht erlebt; vergl. auch Riley) und unempfindlich gegen Hitze und Kälte. Sie haben kaum Probleme mit angelaufenen Sehnen und lassen sich wie Esel auch kaum überanstrengen. Wenn es ihnen reicht, dann streiken sie. Maultiere sind deshalb meiner Meinung nach ideal für Wanderreiter, die zwar lange Strecken zurücklegen wollen, aber nicht unbedingt in der kurzmöglichsten Zeit. Ihre körperlichen Vorteile zeigen sie am besten auf langen Strecken, und ihre besondere Menschenbezogenheit zeigen sie nur, wenn wir sie uns durch Geduld, Ruhe und Freundlichkeit verdienen. "Es gibt kein nützlicheres und willigeres Tier als das Maultier, aber vielleicht auch kein Tier, welches so mißbraucht und vernachlässigt wird. Die öffentliche Meinung über seine Natur ist keine vorteilhafte und es muss sich sein Leben lang plagen und ackern gegen die Vorurteile von Ignoranten. Trotzdem ist es ein Freund des Menschen geblieben und hat ihm in Krieg und Frieden gut und vertrauensvoll gedient." (Harvey Riley: aus dem Vorwort zu seinem Buch "The Mule" 1867) |
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Ghinda (Criollo 15 J.), Luzi (Norw./Quart.-Franz.Esel 5 J.), Lisbeth (Hafl.-1/2 Poitou 3 J.) unter Thomas Reichmann, 2001 |
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Literatur:
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